Engel ohne Flügel: Eine persönliche Schutzengelgeschichte

Ein Beitrag von Carina Heim

Mutter Tochter

„Mama, Mama! Ich will vor dem Einschlafen noch eine Geschichte hören!“, bat das kleine Mädchen mit großen glänzenden Augen. „Noch eine?“, entgegnete die Mutter. „Du bekommst ja gar nicht genug heute. Na gut!“, gab sie ihrer Tochter klein bei. „Aber worüber kann ich denn noch etwas erzählen?“. Das Kind sah sich auf der Suche nach Ideen im Zimmer um. Sein Blick war plötzlich von etwas gefesselt, das die Spitze des Weihnachtsbaumes zierte: „Kennst du eine Geschichte über Engel? Über Schutzengel?“

Mama nickte: „Ich kenne eine Geschichte, sogar eine wahre“, gestand die Mutter. „Das Ereignis ist zwar einige Jahre her, aber ich kann mich noch sehr gut dran erinnern“. Das Mädchen nahm seinen Teddybären und legte sich gemütlich auf Mama´s Schoß, um nun gespannt der Geschichte zu lauschen.

Die Mutter begann zu erzählen:
„Es war Sommer und während eines Spazierganges habe ich mit Oma telefoniert. Oma meinte, dass ich, wenn ich mich beeilen würde, noch Tante Nina im McDonalds am OEZ treffen könnte. Ein bisschen Zeit blieb mir noch und ich wollte Tante Nina unbedingt sehen. Ich habe mich also auf den Weg zu McDonalds gemacht, nicht ahnend, dass Oma Tante Nina wieder einmal nicht richtig zugehört hatte. Tante Nina und ihre Freunde befanden sich nämlich an einem ganz anderen Treffpunkt.

Als ich bei McDonalds ankam, sah ich dort einen jungen Mann, der vielen Menschen sehr weh tat.
Ich bekam große Angst und machte kehrt, um ganz schnell wegzulaufen. Es war mir, als ob mich eine unsichtbare Hand ergriff und mit sich riss, um mich in Sicherheit zu bringen. Dabei traf ich auf einen kleinen Jungen. Er war damals so alt, wie du heute. Dieser kleine Junge hatte eine große Wunde und schien sehr verängstigt zu sein. Ich redete ihm gut zu und versicherte ihm, zu helfen.“

„Mama“, war das kleinen Mädchen kaum mehr zu bändigen, „war das so wie damals, als ich hingefallen bin und du zu mir gesagt hast, dass es nicht so schlimm ist und bald wieder gut wird, wenn man drauf pustet?“. „Ja, meine Kleine“, erwiderte die Mutter. „Ungefähr so“.

Schutzengelfigur

Die Geschichte ging weiter: „Ich habe den Jungen auf den Arm genommen und zu einem Rettungswagen getragen. Der Bub hat stark geblutet, und ich habe gehofft, dass ihn die Sanitäter schnell versorgen und er die notwendige Hilfe bekommt. Viel später habe ich erfahren, dass der kleine Junge wieder ganz gesund geworden ist.“

„Ui Mama, ich bewundere die von den Rettungswägen! Hast du denn damals versucht, auch noch den anderen verletzen Menschen zu helfen?“, fragte das kleine Mädchen.

„Ja“, erwiderte die Mutter, „aber auch ich hatte Angst. Mir selbst ist damals nichts passiert. Ich hatte wohl einen richtig großen Schutzengel, der auf mich aufgepasst und mir immer den richtigen Weg gezeigt hat. Jeden Tag bin ich ihm dafür sehr dankbar“.

Weißt du denn, wie dein Schutzengel aussieht?“ wollte das kleine Mädchen wissen.

„Leider habe ich meinen Schutzengel nie wirklich gesehen, ich stelle ihn mir so vor: Er sieht aus wie du und ich – blonde lange Haare, blaue Augen. Und er hat ein ganz großes Herz. Meinem Schutzengel verdanke ich sogar meinen Beruf. Lange Zeit wusste ich nicht, was ich werden wollte. Dieses Erlebnis war der Schlüssel: Rettungssanitäterin! Einige Jahre lang habe ich ganztags in diesem Beruf gearbeitet. Jeden Tag für Menschen da zu sein und ihnen zu helfen, das liebe ich. Jetzt bin ich noch stundenweise als Rettungssanitäterin bei einigen Einsätzen dabei. Heute arbeite ich hauptberuflich als Bestattungsberaterin. Inzwischen steht mir mein Schutzengel bei, wenn ich Menschen in Trauer begleite und versuche, ihnen Kraft und Zuversicht zu geben“.

Mädchen Engelsflügel

„Mama, wie kann ich für andere ein Engel sein?“, wollte das kleine Mädchen wissen.

„Hast du nicht erzählt, dass manche Kinder zu wenig Geld haben, um sich so leckere Plätzchen zu gönnen wie du?“, erkundigte sich die Mutter. „Lass uns doch von deinen Lieblingsplätzchen ein paar Tütchen packen und diesen Kindern schenken. Und wollen wir die alte Frau von nebenan nicht zu Heiligabend einladen? Dann müsste sie das Weihnachtsfest nicht alleine verbringen, nachdem erst kürzlich ihr Mann verstorben ist.“

„Ja, Mama, das machen wir. Engel sind wirklich was Schönes. Und jeder kann für den anderen ein Engel oder Schutzengel sein!“, strahlte das kleine Mädchen.

Die Mama ging kurz aus dem Zimmer, um etwas zu holen. Als sie zurückkam, schenkte sie ihrer Tochter einen kleinen Engel aus Holz. „Hier mein Schatz, er soll immer auf dich aufpassen und auf all deinen Wegen begleiten! Schlaf gut, bis morgen.“

Carina Heim